Mittwoch, 24. Mai 2017

Interview mit Susanne Kliem


Die Leipziger Buchmesse ist ein Ort, an dem man nicht nur viele Bücher entdecken kann, sondern auch viele sympathische Menschen trifft. Eine davon, die Autorin Susanne Kliem, konnte ich sogar interviewen.

Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, für dieses Interview. 


Ich habe gelesen, dass Du erst relativ spät angefangen hast mit schreiben.

Ja

Vorher hast Du vieles beruflich gemacht in einem künstlerischen Umfeld. Kannst du mittlerweile vom Schreiben leben oder ist das noch immer ein „Nebenberuf“?

Das Schreiben ist schon mein Hauptberuf. Es ist immer die Frage, welchen Lebensstandard man sich vorstellt. Auf einem sehr bescheidenen Level könnte ich allein davon leben. Aber zum Glück habe ich einen Mann, der auch noch Geld verdient und zusammen geht es.

Hast Du hast noch einen anderen Beruf neben dem Schreiben von Büchern?

Ja, ich arbeite noch als Journalistin für eine Fachzeitschrift - für die Weihnachtsbaum- und Schnittgrünbranche.

Das klingt ja exotisch.



Ja, es handelt sich dabe um das Nadeljournal. Das hat sich ergeben, weil ich einen Krimi über die Weihnachtsbaumbranche geschrieben habe. So entstand der Kontakt und dann wurde ich als freie Mitarbeiterin engagiert. Das ist inzwischen mein Nebenberuf.

Hauptberuflich also Schriftstellerin.

Genau. Als Autorin.

Durch dein künstlerisches Umfeld hast Du Dich inspiriert gefühlt auch künstlerisch tätig zu werden. Das kenne ich, wie so viele, auch. Wenn ganz viele im Umfeld  schreiben oder schauspielen, dass man das Gefühlt hat, warum mache ich das eigentlich nicht.

Ganz genau so ging es mir auch.

Was war es denn für ein künstlerisches Umfeld? Künstlerisch ist ja umfassend, waren es Autoren oder anderes?

Nein, das waren Schauspieler. Ich habe ja längere Zeit am Theater gearbeitet, hauptsächlich als Regieassistentin. Da habe ich mit ganz vielen Schauspielern Kontakt gehabt. Und da hatte ich das Gefühl ich fühle mich in dieser Assistentenrolle nicht so wohl. Ich wußte auch nie, was es sein könnte was ich künstlerisch machen kann. Das ich nicht Schauspielerin werde war klar, dazu bin ich total unbegabt. Das hat sich schon sehr früh herausgestellt, aber was es denn stattdessen sein könnte, danach habe ich gesucht. Da sagte eine befreundete Schauspielerin mir, das muss doch aus einem inneren Bedürfnis heraus kommen, das musst du doch spüren. Und das habe ich lange nicht und das fing erst spät mit 40 an.

Also lange Zeit das difuse Gefühl du möchtest etwas künstlerisch / musisches machen.

Ja, ichmöchte etwas ausdrücken. Ich habe das Gefühl schon, dass ich den Leuten etwas erzählen kann. Ich hatte erst gedacht als Theaterregisseurin könnte ich das, aber das habe ich dann irgendwann kräftemäßig nicht mehr durchgehalten, weil Theaterregisseurin ein wirklich schlauchender Beruf ist und so habe ich erst spät das Schreiben entdeckt.

Aber es war für dich auch klar, schauspielen war es von Anfang an ausgeschlossen

Relativ sschnell, nachdem ich ein paar Statisten-Rollen hatte.

Hast du Dich denn noch in anderen künstlerischen Bereichen wie Musik oder Malen probiert?

Überhaupt nicht, Ich habe ja auch ein paar andere Berufe ausgeübt, in denen ich auch Schreiben musste.Zum Beispiel im Presse / PR Bereiche gearbeitet oder Synchron-Drehbücher geschrieben. Da bin ich ja schon mit Texten in Berührung gekommen und da hat sich dann schon rauskristallisiert, dass mir das liegt. Dann habe ich auch Ratgeber geschrieben zu Bewerbungsthemen „Wie bewerbe ich  mich richtig“ und so weiter. Damit fing das Schreiben an. Da habe ich dann gemerkt, ein Buch kann man schaffen, wenn man jeden Tag 5 Seiten schreibt, dann ist es auf einmal Schwups fertig. Das hat mir auch die Scheu vor dieser Hürde genommen – ein ganzes Buch – das ist ja wahnsinnig viel Arbeit. Da habe ich dann gesehen, man muss jeden Tag ein bischen dran arbeiten, dann geht das.

Wie bist du dazu gekommen Krimis zu schreiben?

Ich hatte dann „die Idee“, und das war dann wirklich ein Bedürfnis, ich wollte über meine Theaterzeit einen Roman schreiben. Habe dann angefangen und gemerkt, aha das wird ein Krimi. Ich hatte zuerst keine Polizeiermittler darin, aber es steuert auf eklatanten Mord hin und dann habe ich irgendwann gemerkt, dass es ganz gut wäre Polizeiermittler zu haben, weil die ein Blick von Außen auf die Theaterszene sind. Wenn du selber Insider bist in dieser Kulissenwelt, der Leser ist es aber nicht, ist es toll, wenn du eine Figur hast, die von außen guckt und auch mal dumme Fragen stellen kann. Durch dessen Augen kann man dann ganz viel erzählen. So sind dann die Polizeiermittler dazu gekommen und dann auf einmal wurde es ein Who-dunnit und so bin ich zum Krimischreiben gekommen. Ich fand auch toll, dass das Genre Regeln hat. Das schien mir so greifbar. Ein Krimi hat bestimmte Regeln und bestimmte Lesererwartungen. Das fand vertrauenserweckend.

Kannst Dir vorstellen in ein ganz anderes Genre überzugehen oder im Moment eher nicht?

Im Moment auf gar keinen Fall. Vielleicht ganz, ganz langfristig gesehen könnte ich mir vorstellen das Verbrechen wegzulassen und einfach was psychologisch-spannendes auch ohne Mord zu erzählen. Das könnte ich mir schon vorstellen

Letztendlich hast Du das bei „Das Scherbenhaus“ ja schon gemacht. Das Buch ist ja auch kein klassisscher Who-dunnit-Krimi

Genau. Das ist seit dem Verlagswechsel. Seit dem ich bei carls books bin, sind alle drei dort erschienenen Bücher keine Who-dunnits mehr, gehen eher von der Struktur her eher in Richtung Psychothriller, dabei denken dann alle an etwas brutales, ist aber von der Definition her eher so was wie „Das Scherbenhaus“.

Liegt dir das jetzt mehr als Who-dunnit-Krimis zu schreiben? Oder würdest du sagen es könnte auch wieder ein who-dunnit-Krimi kommen?

Es könnte auch wieder ein who-dunnit-Krimi kommen, weil ich es eigentlich toll finde, wenn der Leser miträtseln kann. Am Anfang hast Du das Verbrechen und dann die falschen Fährten. Ich finde das von der Struktur her was ganz tolles und ich schreibe das auch gerne. Aber Du brauchst dann einen Ermittler und da fällt mir im Moment nicht die Figur ein, die das sein könnte. Bei den Psychothriller sind dann die Opfer selbst, die dann ermitteln müssen, um sich selbst aus der Patsche zu ziehen.

Wir haben ja eben schon gesagt, das Scherbenhaus ist ein Psychothriller. Magst Du den Leser erzählen, was ihn in dem Buch erwartet?

Auf jeden Fall zwei unterschiedliche Welten. Die Protagonistin Karla lebt eigentlich in Stade, was ein kleines idyllisches Städtchen ist mit Fachwerkhäusern und schöner Altstadt. Sie lebt dazu noch in einem heimeligen Bauernhaus und alles ist romantisch. Dort wird sie vertrieben, weil sie sich von einem Stalker verfolgt und bedroht fühlt. Sie flieht aus Stade in eine komplett andere Welt, mittenrein nach Berlin in die Anonymität der Großstadt, dann in ein hochmodernes, Architektur-Design-Haus, das mit neuester Sicherheitstechnik ausgestattet ist. Dort fühlt sie sich sich am Anfang das erste Mal wieder sicher und geschützt. Das ist eine ganz andere Welt als die, die sie kennt.

Du sagtest ja eben, es geht ein um Stalking in dem gemütlichen Städtchen Stade – als Gegensatz dazu das Safety-Haus in Berlin, das eine gänzlich andere Welt ist. Ich habe für mich aus dem Buch mitgenommen, das es viel um Sicherheits- / Unsicherheitsgefühl geht. Wie bist Du auf dieses Thema gekommen?

Ich finde es selbst auch extrem gruselig. Die Vorstellung, dass mir jemand meine Wohnung als sicheren Ort wegnimmt. Ich glaube es ist ein Urbedürfnis das wir Menschen haben, das wir zu Hause sicher und unbeobachtet sind, das ist dieser Schutzraum den wir haben, in dem wir ganz wir selbst sind. Da ist ja auch bei Leuten bei denen Eingebrochen wurde. Die haben nie wieder dieses Zuhausegefühl in dieser Wohnung, weil dieser Schutzraum verletzt worden ist. Das finde ich selbst auch extrem gruselig und ich fand es spannend eine Geschichte darum herum zu stricken.

Für Deine Bücher musst Du recherchieren, hier Stalking, wie ist die Gefühlswelt wenn jemand sich verfolgt oder gestalkt fühlt? Dann das Safety-Haus - was ist das überhaupt. Wie gehst du an die Recherche heran?

Was jetzt das Saveheaven angeht, da habe ich überlegt, kenne ich Architekten? Über 2-3 Ecken bin ich auf eine Firma gestossen, die in Berlin solche Gebäude baut - solche Glaspaläste. Mit denen habe ich mich getroffen und die haben mir viel darüber erzählt.

Und wie fühlt sich ein Stalking-Opfer? Klar kann man da auch jemanden suchen, aber da habe ich mich in meine Phantasie hineinversetzt. Ich hatte ja selbst ein bischen ein Stalkingerlebnis. In meinem Buch, das ich immer mit auf Lesungen nehme, da fand ich auf einmal bei einer Lesung in München vorne drin wo immer eine Grußkarte meiner Lektorin drinklebt als Glückbringer ein Photo. Ich schlage dieses Buch auf und die Karte ist weg und stattdessen ist da ein Photo von einem mir fremden Mann mit einer Gitarre. Merkwürdiger Typ – hat einfach sein Photo in mein Buch gelegt. Ich war etwas angegruselt. Ein anderes Erlebnis hatte ich auch gehabt. Als die Urheberrechtsdebatte vor ca. 2 Jahren so hochkochte, die Piraten so stark waren und es auf einmal hieß jeder Content soll gratis und das Urheberrecht soll mehr oder weniger abgeschafft werden – vereinfacht gesagt. Die Grünen sprangen ja auch sofort auf diese Linie mit auf um sich anzubiedern. Da haben wir vom Syndikat – von der Autorenvereinigung Syndikat – eine Aktion durchgeführt. Wir haben uns nackt auf einen Seziertisch gelegt und mit diesen Dreieckigen Schnitt unseren Brustkorb geöffnet und ein blutiges (Schweine-)herz in der Hand gehabt: wir geben unser Herzblut. Pro Urheberrecht. Natürlich nur als Maske (Anmerkung: künstlich dargestellt, wie im Film)
Nachdem das Veröffentlicht worden ist hat uns Anonymus angegriffen, also eine heftige Attacke. Alle unsere Computer wurden lahmgelegt und die haben über Twitter unsere Steuernummern und unsere postalischen Adressen veröffentlicht. Dazu haben sie dann einen Begriff aus dem militärischen wie attac verwendet. Sozusagen die Jagd auf uns ist eröffnet – und da hatte ich 3-4 Wochen in denen ich wirklich Angst hatte. Ich hatte Angst auf die Strasse zu gehen, weil ich dachte die beobachten mich. Das war extrem beängstigend für mich.

Das ist dann ja auch kein diffuses Gefühl mehr, sondern sehr real.

Da war real und natürlich nicht mit der Buchgeschichte zu vergleichen, weil es was politisches war, trotzdem kann ich das Gefühl gut nachvollziehen. Dieses ausgeliefert sein und du bist ohnmächtig, weil du weißt nicht wer Anonymus ist. Das können zwei pickelige Jungs – 16 Jährige in der Garage sein, es können aber auch … - man weiß es nicht.

Das Buch ist ja gerade neu erschienen. Hast Du schon Ideen für weitere Bücher? Magst Du dazu schon ein bischen was verraten?

Es ist wieder ein Psychothriller. Eien Geschichte die für sich alleien steht. Es geht um eine Dreiecksbeziehugn. Ein Mann – und 2 Frauen. Eine Frau überlebt das nicht.

Ist da schon ein Termin in Aussicht?

Noch nicht, wenn es so bleibt wie bisher, das so alle 1, 5 Jahre ein Buch erscheint, dann wäre das im Herbst 2019

Da müssen wir uns noch gedulden.

Leider ja – ich  muss es ja auch erst noch schreiben.

Schaffst Du es nebenbei auch noch Bücher von anderen Autoren zu lesen?

Relativ wenig. Ich versuche es immer wieder, aber ich komme eigentlich nur im Sommerurlaub so richtig dazu. Sonst abends im Bett vor dem Einschlafen 3-4 Seiten. Mühsam, aber tagsüber schaffe ich es gar nicht.

Liest du denn Krimis oder lieber etwas ganz anders.

Nein hauptsächlich Krimis und Trhiller und fast nur noch von deutschen Kollegen und Kolleginnen. Weil diese mir sehr nah sind und da möchte ich wissen, was haben sie wieder veröffentlicht.

Magst du uns ein oder zwei Bücher empfehlen, ein paar Autoren ans Herz legen?

Also Gisa Klönne, die ist ja bekannt, die hat einen neuen Band zu Ihrer Judith Krieger geschrieben „Die Toten, die dich suchen“. Oliver Menard – er schreibt mehr Thriller mit Serienkillern, aber ich finde, dass er eine sehr schöne Sprache hat. „Das Hospital“ ist sein neuestes.

Es gibt so viele – das ist schwer zu beantworten.

Zum Abschluss - Wie wichtig ist dir das Feedback von Deinen Lesern?

Sehr wichtig. Ich find das immer sehr interessant und lese ich auch. Und ich lese auch in den Social Medias und freue mich über Kommentare und Meinungen .

Dann Danke ich, dass Du Dir die Zeit genommen hast meine Fragen zu beantworten.

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