Montag, 6. Juni 2016

So bin ich nicht: (Gretas Storys) von Anneliese Mackintosh [Rezension]


„So bin ich nicht“ geht mir durch den Kopf, wenn ich bemerke, wie andere mich einschätzen. Da trifft dann die Fremdwahrnehmung auf die Eigenwahrnehmung oder das Bild in meinem Kopf, wie ich gerne wäre.
Diese Gedanken im Unterbewußtsein wurden bei mir durch den Titel und noch mehr durch den Klappentext angesprochen. Ich mußte es einfach lesen.
Titel: So bin ich nicht
Originaltitel: Any other mouth
Autor: Anneliese Mackintosh
Verlag: Aufbau
Format: Hardcover
Umfang: 256
ISBN: 978-3351036287
Preis: 19,95 €
eBook: 14,99 €
 
Inhalt:
Greta will nur Liebe, Glück, Mittag essen mit Margaret Atwood und endlich einen echten Orgasmus. Aber vor allem möchte sie ihren Vater zurück, mit dem Trinken aufhören und einmal mit der gutaussehenden Frau mithalten, die immer neben ihr auf dem Laufband läuft und T-Shirts trägt mit Schriftzügen wie »Gut ist das Gegenteil von Großartig«. Sie wünscht sich ein normales Verhältnis zu ihrer Mutter und dass ihre Schwester aufhört zu versuchen, sich umzubringen. Sie würde am liebsten nie mehr Kleidung tragen, nie wieder Fleisch essen oder Milch trinken und für radikale politische Ideen kämpfen. Sie würde gern mehr sie selbst sein. Sie würde gern weniger wollen. Denn immer wenn sie etwas erreicht, wird ihr etwas anderes genommen.
 
Das Buch ist sperrig, interessant, macht nachdenklich, rüttelt auf, ist unbequem – und doch großartig.
Die Autorin hat einen eher sachlichen, knappen Schreibstil, der ohne jeden Schnörkel auf das Wesentliche reduziert.
Diesen Schreibstil mit dem transportierten Inhalt ist nicht immer leicht zu verdauen. Doch soll es das? In diesem Buch nicht. Es wird Gretas Geschichte erzählt - in Episoden - nicht immer chronologisch und noch nicht einmal aus der gleichen Erzählperspektive. Aber dadurch aufrüttelnd und nachdenklich machend.
Gretas Schwester ist psychisch krank, der Vater verstorben. Eine einfache Familie – nein, und so ist auch Gretas Leben nicht einfach, sondern eine Gratwanderung zwischen Extremen. Greta selbst ist eine intelligente Frau, die eigentlich die Normalität sucht, die Geborgenheit einer Bilderbuchfamilie und auch eine Beziehung. Doch der Weg, den Greta dabei einschlägt steht dem entgegen- Woran soll sie sich orientieren in einem Umfeld, der ihr keinen Weg dorthin weist?
Die Ausschnitte aus Gretas Leben sind tabulos, schonungslos – nicht immer grenzenlos. Dabei hat mich immer wieder die Offenheit erstaunt mit der private oder für mich peinliche anmutenden Begebenheiten geschildert werden. Warum empfinde ich das Verhalten als peinlich? Ist es das wirklich?
Vielleicht liegt es daran, dass Greta sich selbst ein „normales“ Leben wünscht – also eines, das nicht so ist wie sie es lebt.
Doch ändert sie ihr Verhalten zu keiner Zeit, sondern reagiert auf Ihr Umfeld, auf Begebenheiten ebenso wie auf Personen. Oft macht sie Dinge, weil sie möglich sind bzw. von anderen gewollt sind, nicht weil sie es möchte. Dies zeigt eine Passivität, ein Hinnehmen, bei der ich Greta oft schütteln möchte.
Kann ich das Buch empfehlen? Ja, aber mit Einschränkung. Wer unterhaltsame Belletristik sucht, wird an diesem Buch keine Freude haben. Dazu ist die Art des Schreibens und der Inhalt nicht trivial genug. Wer über das Gelesene nachdenken möchte, ein Buch das nachwirkt und am Ende Fragen offen läßt, der wird dieses Buch gerne lesen.
Ob man Freude beim Lesen haben wird – bei einem Buch das schokiert, bewegt, deprimiert, berauscht und unterhält – mag ich nicht zu beurteilen. Mir hat das Buch gefallen.

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